Geschichte
In Österreich und fast ganz Europa schätzen die Menschen die Heilkraft des Tausendguldenkrauts seit vielen Jahrhunderten. Diese Wertschätzung spiegelt sich mitunter im
außergewöhnlichen Namen der Pflanze wider, der im Mittelalter entstand. Damals sprach die einfache Bevölkerung dem Enziangewächs einen Wert von tausend Gulden zu – eine hohe Summe, die seine unermesslich große Bedeutung unterstreicht. Bis in die frühe Neuzeit war daneben die Bezeichnung
Hundertguldenkraut gebräuchlich, die auf einer falschen Übersetzung des lateinischen Namens
Centaurium beruhte. Zeitweise ging man offenbar davon aus, dass sich dieser aus den beiden Wörtern „centum“ (hundert) und „aurum“ (Gold) zusammensetzt.
Tatsächlich liegen die Wurzeln des Ausdrucks
Centaurium aber nicht im Lateinischen. Ursprünglich kommt er nämlich vom griechischen Wort „kentaureios“ (zu den Kentauren gehörend). Bei den
Kentauren oder Zentauren handelt es sich um mythologische Mischwesen mit menschlichem Oberkörper und dem Unterkörper eines Pferdes. Der berühmteste von ihnen war
Cheiron, welchem das Tausendguldenkraut der Legende nach bei einer Pfeilwunde am Huf als Heilmittel diente. Antiken Quellen zufolge soll die Pflanze sogar zerschnittenes Fleisch wieder zusammenwachsen lassen.
Der griechische Arzt Dioskurides, der im 1. Jahrhundert n. Chr. in Rom praktizierte, setzte das Tausendguldenkraut als
Abführ- und Augenheilmittel ein. Hildegard von Bingen (1098–1179) nutzte es wiederum zur
Behandlung von Knochenbrüchen. Im Kräuterbuch des Hieronymus Bock (1498–1554) fand es ausführlich als Mittel gegen verschiedenste Leiden Erwähnung, darunter klassische
Magen-Darm-Beschwerden, Hüft- und Gliederschmerzen, trübe Augen, Vergiftungen, Schlangenbisse sowie diverse Wunden. Der Kräuterheilkundige erwähnte weiters die positiven Effekte des Tausendguldenkrauts auf Leber und Milz. Andere Quellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert beschreiben eine
blutstillende Wirkung bei innerlicher und äußerlicher Anwendung, die gemäß der Signaturenlehre auf die rötliche Blütenfarbe zurückzuführen sei. Wassertherapeut Sebastian Kneipp (1821–1897) schätzte die
magensaftbildende Eigenschaft des Krauts und hielt fest:
„Als Heilmittel für Magenleiden müssen wir dem Tausendgüldenkraut die erste Note geben.“Im europäischen Brauchtum spielte das beliebte Bitterkraut eine spannende Rolle. Als rot blühende Pflanze eilte ihm ein
Ruf als unheilabwehrendes und antidämonisches Mittel voraus. Die Menschen stellten Kränze aus Tausendguldenkraut her und setzten sich diese auf den Kopf. Damit waren sie – so sagte man – dazu in der Lage, echte Hexen zu erkennen. Weit verbreitet war außerdem die Überzeugung, dass das Kraut Haus und Hof
vor Blitzeinschlägen schützen würde.
Wirkstoffe des Tausendguldenkrauts
Die stoffliche Zusammensetzung des Tausendguldenkrauts zeichnet sich insbesondere durch den
hohen Gehalt an Bitterstoffen aus. Das Europäische Arzneibuch schreibt einen
Bitterwert von mindestens 2.000 vor. Erfahrungsgemäß ist die Arzneidroge besonders bitter, wenn sie einen entsprechend hohen Anteil an Blüten aufweist.
Wirkungsbestimmend sind die Secoiridoidglykoside
Swertiamarin – als Hauptkomponente mit einem Anteil von 5 % – und
Swerosid. Diesen beiden Inhaltsstoffen wird eine
antibakterielle Wirkung nachgesagt, die für die Erreger
Bacillus subtilis oder
Bacillus cereus als gut dokumentiert gilt. Ferner enthalten sind die Secoiridoid-Bitterstoffe
Gentioflavosid und
Gentiopikrosid sowie in geringen Mengen
Centapikrin aus den Fruchtknoten der Pflanze. Mit einem Bitterwert von circa 4.000.000 gehört dieses zu den bittersten natürlichen Substanzen überhaupt.
Weitere Bestandteile des Tausendguldenkrauts sind 0,1 % Oleanolsäure, 0,4 % Flavonoide, darunter Quercetin-, Kämpferol- und Isorhamnetin-Glykoside, sowie Pyridinalkaloide, polymethoxylierte Xanthonderivate, Phenolcarbonsäuren, Triterpene, Sitosterol, Phytosterole und Harze.
Wie schmeckt das Tausendguldenkraut?
Tausendguldenkraut schmeckt
sehr bitter. Nicht nur die Wirkung, sondern auch der Geschmack der Arzneipflanze wird maßgeblich durch die zahlreich enthaltenen Bitterstoffe bestimmt. Diese regen die
Freisetzung von Speichel und Magensaft an.
Der Geruch des Krauts ist
schwach und
eigenartig.