Juli 30, 2024

Brennnessel (Urtica sp.)

Ein „Unkraut“ mit enormem Potenzial

Was die meisten Menschen von der Brennnessel halten? Abstand! Erinnerungen an juckende Quaddeln und brennende Haut prägen das Bild des heimischen Pflänzchens als Unkraut, um das man lieber einen Bogen macht. Doch der schlechte Ruf wird dem nützlichen Gewächs keineswegs gerecht. Tatsächlich ist die Brennnessel reich an wertvollen Inhaltsstoffen und eine bedeutende Nahrungsquelle für Raupen und andere Lebewesen. Seit der Antike schätzen Pflanzenheilkundige in Europa sie für ihre unzähligen gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Alles über die Heilkraft der Brennnessel und ihre vielfältigen Anwendungsbereiche erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.



Herkunft und Botanik


Die Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae) ist mit Ausnahme der Antarktis auf allen Kontinenten der Welt vertreten. Sie umfasst über 50 Gattungen – darunter jene der Brennnesseln (Urtica), welcher rund 40 Arten angehören. Zu den bekanntesten Vertreterinnen zählen die Große Brennnessel (Urtica dioica) sowie die Kleine Brennnessel (Urtica urens), aus welchen die Arzneidrogen Folium Urticae, Herba Urticae und Radix Urticae gewonnen werden. Ebenfalls in Österreich anzutreffen ist die Ukrainische Brennnessel (Urtica kioviensis) bzw. Röhricht-Brennnessel.


Brennnesseln wachsen – umgeben von zahlreichen Artgenossen und nie allein – grundsätzlich fast überall in der Nähe menschlicher Behausungen. Als klassische Ruderalpflanzen mit geringen Ansprüchen gedeihen sie optimal auf allen nährstoffreichen, humosen Ton- und Lehmböden. Unter anderem begegnet man ihnen an Wegrändern, Schuttplätzen, feuchten Waldstellen, Hecken oder Flussufern. Auf das charakteristische Brennen der Pflanze weist nicht nur der deutsche, sondern auch der lateinische Name Urtica (von urere = „brennen“) hin.


Die Große Brennnessel ist die am meisten verbreitete Brennnessel-Art in Mitteleuropa. Dabei handelt es sich um eine mehrjährige krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe zwischen 60 und 150 cm erreicht. Ihr stielrunder, kriechend wachsender Stock ist winterhart. Sie verfügt über einen aufrechten vierkantigen Stängel ohne Verzweigungen, der mit Borsten und Brennhaaren besetzt ist. Gegenständig angeordnet wachsen länglich-herzförmige und grob gezackte Blätter mit feinen Haaren. In der Regel ist die Urtica dioica diözisch (zweihäusig) – das heißt, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Männliche Blütenrispen stehen aufrecht und haben kürzere Seitenäste. Bei den weiblichen Exemplaren hängen die Blüten nach der Befruchtung. Ihre hell- bis dunkelgrüne Nussfrucht ist eiförmig und glänzend.


Daneben wird die rund 15 bis 50 cm hohe Kleine Brennnessel arzneilich verwendet. Im Gegensatz zur Großen Brennnessel handelt es sich hierbei um eine einjährige Pflanze, die abgesehen von den Brennhaaren nicht behaart ist. Urtica urens ist monözisch (einhäusig), ihre kurzen Blattstiele weisen zumeist wenige männliche und viele weibliche Blüten auf. Aus den weiblichen Blüten entstehen kleine gelbgrüne Nüsschen.


Die Große Brennnessel blüht von Juni bis Oktober. Bei der Kleinen Brennnessel erstreckt sich die Blütezeit von Mai bis Oktober. Üblicherweise erfolgt die Ernte der Blätter im Juni und Juli, wenn die Konzentration der Wirkstoffe am höchsten ist. Die Wurzeln werden im Hochsommer bis Spätherbst ausgegraben.

Brennnesseln wachsen stets in kompakten Massen – zum Beispiel auf feuchten Waldböden.

Wie schmeckt die Brennnessel?


Die Brennnessel zeichnet sich in erster Linie durch ein besonders mildes Geschmacksprofil aus. Sie weist leicht krautige Aromen auf. Die Triebspitzen ihrer Blätter erinnern ein wenig an Spinat, die Samen schmecken leicht nussig. Ihre Wurzeln haben keinen spezifischen Geschmack oder Geruch.



Geschichte


Brennnesselgewächse wurden als Arzneipflanzen seit der Antike ausführlich beschrieben und in den unterschiedlichsten Bereichen genutzt. Im alten Griechenland zeigte sich Hippokrates (460–370 v. Chr.) begeistert von der Heilkraft der Brennnessel, die sich seiner Auffassung nach ideal für die Blutreinigung eignete. Der griechische Arzt Dioskurides, der im ersten Jahrhundert in Rom tätig war, sah in dem Kraut ein harntreibendes, menstruationsförderndes und sogar potenzsteigerndes Mittel. Er beschrieb unterschiedlichste Anwendungsfälle, von der Wundbehandlung über Verrenkungen bis hin zu Atemwegs- und Harnwegserkrankungen.


Später erkannte Hildegard von Bingen (1098–1179) in der Brennnessel ein effektives Mittel zur Unterstützung der Entgiftung. Außerdem setzte sie einen aus dem Kraut gepressten Saft mit Olivenöl vermengt gegen Vergesslichkeit ein. In den Aufzeichnungen der Pflanzenheilkundigen des 15. und 16. Jahrhunderts steht der Anwendungsbereich der Nieren- und Blasenerkrankungen im Vordergrund. Paracelsus (1493/94–1541) wiederum empfahl, die gekochten und mit Pfeffer oder Ingwer vermischten Blätter bei Gelenkschmerzen äußerlich aufzulegen. Der bekannte Hydrotherapeut und Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) bemerkte: „Wer unreines Blut hat, soll zur Frühlings- und Sommerszeit recht oft Brennnesseln wie Spinat essen.“ Auf ihn geht das sogenannte Nesselpeitschen zur Schmerzbehandlung bei Erkrankungen wie Gicht und Rheuma zurück.


Für die einfache Bevölkerung waren Brennnesseln als Nutzpflanzen stets von großer Bedeutung. In Österreich landeten sie gerade in Zeiten großer Nahrungsmittelknappheit gerne auf dem Teller. Ihre robusten Stängelfasern nutzten die Menschen zur Herstellung von Stoffen. Ab dem 1. Weltkrieg erlebte die Nesselfaser ihre Renaissance. Aufgrund der rauen und holzigen Faserteile gestaltete sich die Verarbeitung der Stoffe jedoch schwierig. Die Brennnessel war zu diesem Zeitpunkt nämlich noch keine Kulturpflanze, sondern wurde ausschließlich wild gesammelt. Erst in den folgenden Jahrzehnten kamen erheblich ertragreichere Zuchtfasernesseln auf, ehe diese von der Baumwolle abgelöst wurden.


Im europäischen Brauchtum spielte die Brennnessel eine wichtige Rolle. Als unheilabwendendes Mittel war sie wegen ihrer angeblichen Schutzfunktion bei Gewittern gefragt. Zur Sonnwendnacht verteilten die Menschen sie in den Ställen, um böse Geister zu vertreiben. Seit dem Altertum wird das Kraut mit dem Kriegsgott Mars und mit männlicher Potenz in Verbindung gebracht. Als Lenz- und Liebesmittel wurde es traditionell bei Potenzstörungen genutzt.

Aufgrund des Nesselgifts ist bei der Ernte Vorsicht geboten.

Wirkstoffe der Brennnessel


Die Brennnessel ist reich an Inhaltsstoffen und wird deshalb immer wieder als Lebensmittel empfohlen. Besonders wertvoll sind die Blätter der Pflanze. Sie enthalten rund 1 bis 2 % Flavonoide, Anthocyane, 1 bis 4 % zum Teil wasserlösliche Silikate, Scopoletin und Sitosterol. Hinzu kommen Kaffeesäureester – laut Europäischem Arzneibuch sind mindestens 0,3 % Caffeoyläpfelsäure und Chlorogensäure vorgeschrieben.


Vor allem die frischen Blätter weisen viele Polyphenole auf. Weitere wesentliche Bestandteile sind Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralsäuren wie Kieselsäure, Kalium- und Kalziumsalze, die Vitamine C und K, Provitamin A, Chlorophyll und Spuren von Nicotin. In der Wurzel der Brennnessel ist darüber hinaus ein spezielles Lektin enthalten. Die Samen bzw. Früchte zeichnen sich durch einen hohen Schleimgehalt aus.



Warum brennt die Brennnessel?


Wer mit einer Brennnessel in Kontakt kommt, kann sich leicht „verbrennen“. Die Pflanze ist je nach Art und Sorte größtenteils mit Brennhaaren ausgestattet, die auf unserer Haut schmerzhafte Reizungen hinterlassen. Das feine Brennhaar verfügt über eine Sollbruchstelle am Köpfchen, an der bei Berührung eine Flüssigkeit aus Histamin, Acetylcholin, Ameisensäure und Serotonin austritt. Dadurch schützt sich die Brennnessel vor unliebsamen Fressfeinden.


Manchen Lebewesen kann das Nesselgift nichts anhaben. Schnecken sind zum Beispiel durch den Schleim davor geschützt. Wenn Menschen hingegen eine Brennnessel berühren, bilden sich bei ihnen normalerweise juckende und schmerzende Quaddeln an der Hautoberfläche („Kontakturtikaria“). Wurden die Blätter erst einmal getrocknet, haben sie ihre nesselnde Wirkung verloren.



Brennnessel Wirkung und Anwendung


Als heimisches Kraut hat die Heilpflanze in Österreich eine lange Tradition. Volksmedizinisch werden all ihre Bestandteile seit langem genutzt. Die Blätter und Wurzeln der Großen Brennnessel sowie der Kleinen Brennnessel sind als Arzneimittel anerkannt und in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich. Die nahrhaften Früchte bzw. Samen werden ebenfalls arzneilich verwendet.


Viele der gesundheitsförderlichen Eigenschaften, die der Brennnessel seit dem Altertum nachgesagt werden, gelten inzwischen als wissenschaftlich belegt. Insbesondere das Wirkprofil der Blätter ist gut dokumentiert. Aufgrund ihrer antirheumatischen, antiarthritischen und entzündungshemmenden Wirkung kommen diese – in Form von Extrakten oder als Gelenkstee* – unterstützend bei rheumatischen Erkrankungen oder Arthrosen zum Einsatz. Zudem regt die Brennnessel die Durchblutung des Gewebes an. Als Spiritus wird ihr Kraut äußerlich bei rheumatischen oder neuralgischen Schmerzen eingesetzt.


Überdies ist die Brennnessel für ihre harntreibende Wirkung bekannt. Ihre Wurzeln und Blätter tragen nachweislich zu einer Erhöhung der Harnmenge bei. Daher werden sie zur Unterstützung der Ausscheidungsfunktion der Nieren verwendet. Brennnesseltee aus dem Kraut der Pflanze wird bei entzündlichen Harnwegserkrankungen getrunken. Ebenso hat sich dieser im Rahmen von Durchspülungstherapien zur Vorbeugung und Behandlung von Nierengrieß als hilfreich erwiesen.

Der Tee aus den Blättern der Brennnessel wird zur Unterstützung von Gelenken sowie Nieren und Blase getrunken.

Die Brennnesselwurzel stärkt die Prostata und unterstützt die Harnentleerung. Neben den Blättern ist sie aus diesem Grund häufig Bestandteil von Gesundheitstees für Männer. Beispielsweise steht sie auf der Zutatenliste von unserem DR. KOTTAS Männertee. In unterschiedlichen Studien wurden positive Effekte von Wurzelextrakten bei Erkrankungen der Prostata wie benigner Prostatahyperplasie (Stadium I und II) nachgewiesen.


Als Adaptogen wirkt die Brennnessel auf das zentrale Nervensystem und regt den Stoffwechsel an. Reich an Mineralstoffen und Vitaminen ist sie ein beliebtes Nahrungsmittel für Mensch und Tier. Im Zuge von Frühjahrs- und Entschlackungskuren wird sie gerne Smoothies, Presssäften oder Salaten beigemischt. Ihre entgiftende Wirkung macht sie zu einer beliebten Zutat von Detox-Tees. In der Volksmedizin fungiert die Brennnessel als blutbildendes Mittel und ist ferner in unterschiedlichen diabetischen Teemischungen zu finden. Die Wirksamkeit bei anderen volksmedizinischen Einsatzgebieten wie Herzerkrankungen, Leberbeschwerden oder Durchfall ist bislang nicht belegt.


Äußerlich werden Extrakte des Krauts auf Wunden, Fisteln oder Furunkel aufgetragen oder bei Sebostase – verminderter Talgproduktion der Haut – eingesetzt. Oftmals ist die Brennnessel in Anti-Schuppen-Shampoos und anderen Pflegeprodukten enthalten.



Nebenwirkungen


Die Blattdroge gilt als gut verträglich. Aus Studien und der Anwendungspraxis sind keine Nebenwirkungen bekannt. Allerdings können die Wurzeln der Brennnessel gelegentlich leichte Beschwerden im Magen-Darm-Bereich auslösen. Selten kann es bei der Einnahme von Brennnesseltee zu allergischen Reaktionen kommen.


Bei Ödemen infolge einer eingeschränkten Herz- und Nierentätigkeit dürfen die Blätter nicht eingenommen werden. Keine Kontraindikationen liegen indes bei der Wurzeldroge vor.


*Dieses Arzneimittel ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das ausschließlich auf Grund langjähriger Verwendung für die genannten Anwendungsgebiete registriert ist. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.

Quellen
Bäumler, S. (2012). Heilpflanzen Praxis heute. Arzneipflanzenporträts. Urban & Fischer.
Blaschek, W. (Hrsg.) (2016). Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis, 6. Auflage, Stuttgart.
Dhouibi, R., Affes, H., Ben Salem, M., Hammami, S., Sahnoun, Z., Zeghal, K. M. & Ksouda, K. (2020). Screening of pharmacological uses of Urtica dioica and others benefits. Progress in Biophysics and Molecular Biology, 150, 67–77.
Hahn, G. & Hahn, M. (2004): Brennnesselgewächse. Unkräuter oder Arznei- und Wirtschaftspflanzen? Erfahrungsheilkunde 53(6), 339-349.
Hosseinabadi, R., Heidari, M., Anbari, K. & Pournia, Y. (2014). Urtica dioica for treatment of lower urinary tract symptoms associated with benign prostatic hyperplasia. International Journal of Urological Nursing, 8(3), 114–121.
Safamehr, A. & Mirahmadi, M. & Nobakht, A. (2012). Effect of nettle (Urtica dioica) medicinal plant on growth performance, immune responses, and serum biochemical parameters of broiler chickens. International Research Journal of Applied and Basic Sciences. 3. 721-728.

FOLGE UNS AUF
   

KOTTAS Kräuterhaus
Freyung 7
A-1010 Wien

Öffnungszeiten
Mo - Fr 8:30 - 18:00
Sa 9:00 - 12:30
Telefon +43 1 533 9532
KOTTAS PHARMA GmbH - Firmenzentrale
Eitnergasse 8
A-1230 Wien
Sonderöffnungszeiten im Advent
Samstag (30.11., 07.12., 14.12. und 21.12.) 9:00 - 18:00
Dienstag (24.12. und 31.12.) 08:30 - 12:00
© 2024 KOTTAS PHARMA GmbH. Alle Rechte vorbehalten.
KOTTAS Kräuterhaus
Freyung 7
A-1010 Wien

Öffnungszeiten
Mo - Fr 8:30 - 18:00
Sa 9:00 - 12:30
Telefon +43 1 533 9532

KOTTAS PHARMA GmbH - Firmenzentrale
Eitnergasse 8
A-1230 Wien

STANDORT & KONTAKT
APOTHEKEN
IMPRESSUM
DATENSCHUTZ
Sonderöffnungszeiten im Advent
Samstag (30.11., 07.12., 14.12. und 21.12.) 9:00 - 18:00
Dienstag (24.12. und 31.12.) 08:30 - 12:00
© 2024 KOTTAS PHARMA GmbH. Alle Rechte vorbehalten.