August 13, 2024

Tausendguldenkraut (Centaurium erythraea)

Das wertvolle Bitterkraut

Mit seinen zarten, purpurfarbenen Blüten erfreut das Tausendguldenkraut nicht bloß das menschliche Auge. Dank der reichlich enthaltenen Bitterstoffe überzeugt das heimische Pflänzchen obendrein mit seiner Heilkraft. Außerhalb Österreichs eher als Tausendgüldenkraut bekannt, wird es als Arzneipflanze seit der Antike hochgeschätzt. Bei Appetitlosigkeit und Beschwerden des Magen-Darm-Trakts gilt das bitter schmeckende Kraut mit den wertvollen Wirkstoffen als Mittel der Wahl. Neben den vielen erprobten Wirkungsfacetten im Bereich der Verdauung werden ihm auch weitere positive Eigenschaften nachgesagt. Für einige gibt es vielversprechende wissenschaftliche Belege, andere werden noch erforscht. Im folgenden Pflanzenporträt erfahren Sie, bei welchen Leiden das Bitterkraut helfen kann, welche Stoffe es enthält, sowie weitere interessante Fakten über das Tausendguldenkraut.



Herkunft und Botanik


Zur großen Familie der Enziangewächse gehörend, präsentiert sich das Tausendguldenkraut überaus variantenreich. Nicht-Botaniker*innen verlieren bei den nicht immer klar voneinander abzugrenzenden Arten und Unterarten schnell den Überblick. Wenn wir hier vom Tausendguldenkraut sprechen, meinen wir das sogenannte Echte Tausendguldenkraut (Centaurium erythraea) aus der Gattung der Tausendguldenkräuter (Centaurium). Neben dieser Spezies sind die selteneren Arten Centaurium majus und Centaurium suffruticosum im Europäischen Arzneibuch als Stammpflanzen zugelassen. Für die Herstellung der Arzneidroge Centaurii herba können sie zusätzlich herangezogen werden.


Tausendguldenkräuter wachsen in Europa, Nordamerika, Nordafrika sowie im westlichen Asien. Das Echte Tausendguldenkraut ist beinahe auf dem gesamten europäischen Kontinent beheimatet. In Österreich ist es – wie in anderen Ländern Mitteleuropas – mittlerweile seltener anzutreffen, beispielsweise in Oberösterreich, in Tirol oder im Bereich des Leithagebirges ist es noch zu finden. Wie das verwandte Kleine Tausendguldenkraut (Centaurium pulchellum) steht es in Österreich auf der Roten Liste. Aus diesem Grund wird das Arzneikraut nicht mehr hierzulande gesammelt, sondern aus nachhaltigen Wildsammlungen – vornehmlich aus Ungarn, dem südeuropäischen Raum oder der Mittelmeerregion – importiert. So werden die kommenden Pflanzengenerationen und der heimische Bestand des wild wachsenden Tausendguldenkrauts gesichert.


Die ein- bis zweijährige Pflanze bevorzugt warme Standorte. Häufig wächst das Tausendguldenkraut an lehmreichen, eher bodensauren Waldlichtungen sowie offenen Ruderal- und Wegstellen. Es verfügt über einen vierkantigen, hohlen Stängel, der üblicherweise aufrecht wächst und eine Höhe von bis zu 50 cm erreicht. Kreuzgegenständig angeordnet sitzen entlang des Stängels längliche bis elliptische Blätter, die jeweils drei Längsadern aufweisen. Die Grundblätter bilden eine Art Rosette und verwelken relativ früh. Am oberen Ende der krautigen Pflanze sitzen einzelne zartrosa- bis purpurfarbene Blüten in verzweigten Trieben, die sich in speziellen schirmförmigen Blütenständen – sogenannten Trugdolden – zusammendrängen. In den zwittrigen Blüten entstehen kleine, ei- oder spindelförmige Kapselfrüchte.


Im Regelfall erstreckt sich die Blütezeit beim Echten Tausendguldenkraut von Juli bis September, währenddessen wird auch das arzneilich genutzte Kraut gesammelt. Abgesehen von den Wurzeln werden alle Teile der Pflanze geerntet und für die Droge verwendet. Ausschlaggebend ist dabei, dass die Trocknung rasch und behutsam erfolgt. Dadurch stellen kompetente Wildsammler*innen sicher, dass die Blätter des Tausendguldenkrauts grün und seine feinen Blüten purpurrot bleiben.

Geschichte


In Österreich und fast ganz Europa schätzen die Menschen die Heilkraft des Tausendguldenkrauts seit vielen Jahrhunderten. Diese Wertschätzung spiegelt sich mitunter im außergewöhnlichen Namen der Pflanze wider, der im Mittelalter entstand. Damals sprach die einfache Bevölkerung dem Enziangewächs einen Wert von tausend Gulden zu – eine hohe Summe, die seine unermesslich große Bedeutung unterstreicht. Bis in die frühe Neuzeit war daneben die Bezeichnung Hundertguldenkraut gebräuchlich, die auf einer falschen Übersetzung des lateinischen Namens Centaurium beruhte. Zeitweise ging man offenbar davon aus, dass sich dieser aus den beiden Wörtern „centum“ (hundert) und „aurum“ (Gold) zusammensetzt.


Tatsächlich liegen die Wurzeln des Ausdrucks Centaurium aber nicht im Lateinischen. Ursprünglich kommt er nämlich vom griechischen Wort „kentaureios“ (zu den Kentauren gehörend). Bei den Kentauren oder Zentauren handelt es sich um mythologische Mischwesen mit menschlichem Oberkörper und dem Unterkörper eines Pferdes. Der berühmteste von ihnen war Cheiron, welchem das Tausendguldenkraut der Legende nach bei einer Pfeilwunde am Huf als Heilmittel diente. Antiken Quellen zufolge soll die Pflanze sogar zerschnittenes Fleisch wieder zusammenwachsen lassen.


Der griechische Arzt Dioskurides, der im 1. Jahrhundert n. Chr. in Rom praktizierte, setzte das Tausendguldenkraut als Abführ- und Augenheilmittel ein. Hildegard von Bingen (1098–1179) nutzte es wiederum zur Behandlung von Knochenbrüchen. Im Kräuterbuch des Hieronymus Bock (1498–1554) fand es ausführlich als Mittel gegen verschiedenste Leiden Erwähnung, darunter klassische Magen-Darm-Beschwerden, Hüft- und Gliederschmerzen, trübe Augen, Vergiftungen, Schlangenbisse sowie diverse Wunden. Der Kräuterheilkundige erwähnte weiters die positiven Effekte des Tausendguldenkrauts auf Leber und Milz. Andere Quellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert beschreiben eine blutstillende Wirkung bei innerlicher und äußerlicher Anwendung, die gemäß der Signaturenlehre auf die rötliche Blütenfarbe zurückzuführen sei. Wassertherapeut Sebastian Kneipp (1821–1897) schätzte die magensaftbildende Eigenschaft des Krauts und hielt fest: „Als Heilmittel für Magenleiden müssen wir dem Tausendgüldenkraut die erste Note geben.“


Im europäischen Brauchtum spielte das beliebte Bitterkraut eine spannende Rolle. Als rot blühende Pflanze eilte ihm ein Ruf als unheilabwehrendes und antidämonisches Mittel voraus. Die Menschen stellten Kränze aus Tausendguldenkraut her und setzten sich diese auf den Kopf. Damit waren sie – so sagte man – dazu in der Lage, echte Hexen zu erkennen. Weit verbreitet war außerdem die Überzeugung, dass das Kraut Haus und Hof vor Blitzeinschlägen schützen würde.


Wirkstoffe des Tausendguldenkrauts


Die stoffliche Zusammensetzung des Tausendguldenkrauts zeichnet sich insbesondere durch den hohen Gehalt an Bitterstoffen aus. Das Europäische Arzneibuch schreibt einen Bitterwert von mindestens 2.000 vor. Erfahrungsgemäß ist die Arzneidroge besonders bitter, wenn sie einen entsprechend hohen Anteil an Blüten aufweist.


Wirkungsbestimmend sind die Secoiridoidglykoside Swertiamarin – als Hauptkomponente mit einem Anteil von 5 % – und Swerosid. Diesen beiden Inhaltsstoffen wird eine antibakterielle Wirkung nachgesagt, die für die Erreger Bacillus subtilis oder Bacillus cereus als gut dokumentiert gilt. Ferner enthalten sind die Secoiridoid-Bitterstoffe Gentioflavosid und Gentiopikrosid sowie in geringen Mengen Centapikrin aus den Fruchtknoten der Pflanze. Mit einem Bitterwert von circa 4.000.000 gehört dieses zu den bittersten natürlichen Substanzen überhaupt.


Weitere Bestandteile des Tausendguldenkrauts sind 0,1 % Oleanolsäure, 0,4 % Flavonoide, darunter Quercetin-, Kämpferol- und Isorhamnetin-Glykoside, sowie Pyridinalkaloide, polymethoxylierte Xanthonderivate, Phenolcarbonsäuren, Triterpene, Sitosterol, Phytosterole und Harze.


Wie schmeckt das Tausendguldenkraut?


Tausendguldenkraut schmeckt sehr bitter. Nicht nur die Wirkung, sondern auch der Geschmack der Arzneipflanze wird maßgeblich durch die zahlreich enthaltenen Bitterstoffe bestimmt. Diese regen die Freisetzung von Speichel und Magensaft an.


Der Geruch des Krauts ist schwach und eigenartig.

Tausendguldenkraut Wirkung und Anwendung


Seit langem werden dem Tausendguldenkraut eine Vielzahl an gesundheitsförderlichen Effekten nachgesagt, die zum Teil inzwischen als wissenschaftlich belegt gelten. So besitzt die vielseitig verwendete Heilpflanze gastroprotektive, verdauungsfördernde, hepatoprotektive, appetitanregende, antioxidative, entzündungshemmende und schmerzstillende Eigenschaften. Arzneilich genutzt werden – mit Ausnahme der Wurzel – alle Bestandteile des Tausendguldenkrauts. Als Tee, Tinktur oder Extrakt hat es sich zur Behandlung verschiedener Erkrankungen und Symptome bewährt.


Anwendung findet das Tausendguldenkraut vor allem bei Appetitlosigkeit sowie diversen Magen-Darm-Beschwerden. Seine Bitterstoffe wirken tonisierend auf die Magenmuskulatur. Auf diese Weise trägt das Kraut zu einer vermehrten Magensaft- und Speichelbildung bei und regt den Appetit an. Dyspeptische Beschwerden, Blähungen und Völlegefühl können durch die Einnahme gelindert werden. Mit der Frage, wie Bitterkräuter die Verdauung unterstützen, haben wir uns übrigens in einem eigenen Beitrag zum Thema Bitterstoffe auseinandergesetzt.


Angenommen wird darüber hinaus, dass die Einnahme von Tausendguldenkraut bei gastrointestinalen Spasmen helfen könnte. Traditionell wird es gemeinsam mit anderen Kräutern zur Unterstützung der Verdauungsfunktion und als appetitförderndes Mittel eingesetzt. Tausendguldenkraut ist folglich in vielen Kräuter- und Magenelixieren sowie in Verdauungstees enthalten, etwa im DR. KOTTAS Blähungs-Verdauungstee* oder im DR. KOTTAS Magen-Darmtee*. Extrakte des wirkungsmächtigen Enziangewächses finden sich in Magen-Darm-Tropfen und anderen Kombinationspräparaten. Ein spezifisches Anwendungsgebiet des Tausendguldenkrauts ist Anorexia nervosa (Magersucht).


Als wirksam hat sich das Arzneikraut zudem bei chronischen Entzündungen im Mund- und Rachenraum erwiesen. Bei nervöser Erschöpfung und einem schwachen Kreislauf kann es für Linderung sorgen. Überdies liegen Hinweise für eine antihyperglykämische bzw. antidiabetische Wirkung der Bitterdroge vor. Immerhin kommt es zu einer nachgewiesenen Absenkung der Blutglukose und zu einer verbesserten Insulin-Ausschüttung. Das Gesamtcholesterin sowie die Triglyceride sinken signifikant ab. Volksmedizinisch findet Tausendguldenkraut zum Beispiel in Algerien oder Marokko traditionell bei Diabetes Verwendung. In Ägypten wird es bei Bluthochdruck empfohlen. Belege für eine Wirksamkeit gibt es in diesem Zusammenhang allerdings keine.


Weitere volksmedizinische Einsatzbereiche sind die äußerliche Wundbehandlung, Fiebererkrankungen oder Wurmbefall. Oftmals wird das Bitterkraut während des Genesungsprozesses nach einer schweren Erkrankung oder bei Kraftlosigkeit empfohlen. In Österreich wurde der aus dem Kraut gewonnene Saft früher gerne gemeinsam mit Löwenzahn bei Beschwerden von Leber und Gallenwegen als Frühjahrskur getrunken. Auf der Zutatenliste von unserem DR. KOTTAS Leber-Gallentee* finden sich Tausendguldenkraut und Löwenzahnwurzel ebenfalls.


Nebenwirkungen


Aus der langjährigen Anwendung und Forschung sind bislang keine Nebenwirkungen oder Interaktionen bekannt. Jedoch ist bei Sodbrennen oder hyperazider Gastritis Vorsicht geboten. Patient*innen mit Geschwüren im Magen oder Darm sollten auf die Einnahme verzichten, da eine vermehrte Freisetzung von Magensaft gelegentlich zu einer Verschlechterung der Beschwerden führt.



*Dieses Arzneimittel ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das ausschließlich auf Grund langjähriger Verwendung für die genannten Anwendungsgebiete registriert ist. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.




Quellen
Bäumler, S. (2012). Heilpflanzen Praxis heute. Arzneipflanzenporträts. Urban & Fischer.
Blaschek, W. (Hrsg.) (2016). Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis, 6. Auflage, Stuttgart.
Giebelmann, R. (2008). Kulturgeschichtliches zu Enziangewächsen. T + K 75 (3): 143–146.
Houben, M. (2021). Tausendgüldenkraut: pflanzlicher Appetitanreger. Zeitschrift für Komplementärmedizin 2021; 13(05): 52–54.
Merghem, M. & Dahamna, S. (2020). Antioxidant Activity of Centaurium erythraea Extracts. Journal of Drug Delivery and Therapeutics. 2020; 10(2):171–174.
Schratt-Ehrendorfer, L., Niklfeld, H., Schröck, C., & Stöhr, O. (Hrsg.) (2022). Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen Österreichs. Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage (Link = https://www.zobodat.at/pdf/STAPFIA_0114_0001-0357.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.08.2024).

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