August 29, 2024

Melisse (Melissa officinalis)

Ein Heilkraut mit reicher Tradition

Mit ihrem erfrischenden zitronigen Duft kommt die Melisse oder Zitronenmelisse bei Menschen und Bienen gut an. Sie erfreut das Gemüt und hilft bei nervöser Unruhe, Verdauungsschwierigkeiten sowie anderen Beschwerden. Ihr angenehmes Aroma und ihre gesundheitsförderlichen Eigenschaften machen sie weltweit zu einer der beliebtesten Heil- und Gewürzpflanzen. Ursprünglich in wärmeren Gefilden beheimatet, fand die Melisse seit dem Mittelalter auch in heimischen Kräutergärten ihren festen Platz. Der Anbau dieses ausdauernden Krauts zu medizinischen Zwecken hat in Österreich und Mitteleuropa ebenfalls bereits eine lange Tradition. In diesem Blogbeitrag wollen wir dem heilkräftigen Gewächs, das Paracelsus (1493/94–1541) einst „die beste Pflanze für das Herz“ nannte, nun besondere Aufmerksamkeit schenken.


Herkunft und Botanik


Eine Sache vorweg: Zwischen der Melisse und der Zitronenmelisse gibt es keinen Unterschied. Beide Begriffe bezeichnen ein und dieselbe Pflanze, die unter dem botanischen Namen Melissa officinalis bekannt ist und der Pflanzenfamilie der Lippenblütler (Lamiaceae) angehört. Lippenblütengewächse zeichnen sich oftmals durch einen hohen Gehalt an ätherischen Ölen aus. Aus diesem Grund werden viele von ihnen traditionell als Heil- und Gewürzpflanzen genutzt, darunter beispielsweise Kräuter wie Pfefferminze, Salbei, Lavendel, Basilikum oder Thymian.


Von Melissa officinalis existieren zwei Unterarten: Zum einen gibt es die für Menschen unangenehm riechende und hochgewachsene Wildform altissima, zum anderen die Subspezies officinalis mit dem charakteristischen Zitronenduft, die pharmazeutisch genutzt wird.


Dem zitronigen Aroma hat die Zitronenmelisse ihren Namen zu verdanken. Auf Englisch heißt sie im Übrigen lemon balm. Die Bezeichnung „Melisse“ wiederum leitet sich vom griechischen Wort melitta (Honigbiene) ab. Aufgrund ihres Geruchs übt die Melisse – wie eingangs angedeutet – eine enorme Anziehungskraft auf Bienen aus. Der Grund: Die stoffliche Zusammensetzung der Heilpflanze ähnelt dem sogenannten Nasanov-Pheromon der Bienen. Dieses leitet die Sammlerbienen zurück zum Bienenstock oder markiert Blüten, bei denen es noch Nektar zu ergattern gibt.

Der Ursprung der Melisse liegt vermutlich in Westasien und im östlichen Mittelmeergebiet. Seit langem wird sie in Österreich und ganz Mitteleuropa sowie in West- und Osteuropa kultiviert. Insbesondere im Mittelmeerraum bis hin zum Alpenvorrand wächst die Zitronenmelisse ausgewildert an Hecken, Mauern und Ruderalstellen. Grundsätzlich stellt die Pflanze keine hohen Ansprüche an den Boden. Als Kulturpflanze oder wild wachsend findet sie sich daher überall in den gemäßigten und warmen Regionen der Welt.


Das ausdauernde Kraut ist zwischen 30 und 70 cm hoch und spärlich behaart. Es bevorzugt sandigen bis lehmigen Boden und ist relativ trockenresistent. Unter optimalen Bedingungen kann die stark verästelte Pflanze 25 bis 30 Jahre alt werden. Die Melisse besitzt – wie es für Lippenblütler typisch ist – einen vierkantigen Stängel, an dessen Ecken die Ölgänge verlaufen. Ihre kreuzgegenständig angeordneten Blätter sind gestielt sowie kerbig gesägt und haben eine stark ausgeprägte Nervatur an der Unterseite. Sie verfügen über feine Drüsen, welche die intensiven Duftstoffe absondern.


Die meist gelblich-weißen Lippenblüten der Zitronenmelisse sind zwittrig und stehen in den oberen Blattachseln in Scheinquirlen. Sie blühen von Juni bis August. Zur Fruchtreife bilden sich 1,5 bis 2 mm große kastanienfarbene Nüsschen, die Teil einer Klausenfrucht sind. Üblicherweise findet die Ernte der Melissenblätter vor der Blüte statt. Anschließend werden diese sorgfältig getrocknet und rasch weiterverarbeitet, sodass die kostbaren Wirkstoffe nicht verloren gehen.


Wie schmeckt die Melisse?


Der Geschmack der Blätter wird häufig als zitronig-mild und erfrischend beschrieben. Die Pflanze zeichnet sich durch eine wohltuende, süßliche Kräuternote aus.

Geschichte


Seit der Antike ist die vielfältige Melisse als Heilkraut und Gewürzpflanze in Verwendung. Der griechische Arzt Dioskurides, der im 1. Jahrhundert nach Chr. im Römischen Reich praktizierte, erwähnte sie als Melissophylon (Bienenblatt) in seinem Kräuterbuch. Eingesetzt wurde die alte Heilpflanze damals beispielsweise bei Skorpion- oder Hundebissen, Zahnschmerzen, sogenannten hypochondrischen Erscheinungen oder als wehenförderndes Mittel. Plinius der Ältere (23/24–79 n. Chr.) empfahl mit Honig vermengten Melissensaft gegen grauen Star. Über die besondere Beziehung der Bienen zu den Melissen schrieb er: „Den Bienen sind keine Blüten lieber als die Melisse.“


Mit den Benediktinermönchen kam die heilkräftige Pflanze aus den Mittelmeerländern in die Alpenregion. Als typisches Gewächs des mittelalterlichen Klostergartens trug sie lange den Beinamen „Pfaffenkraut“. Da zu dieser Zeit noch keine Südfrüchte verfügbar waren, wurde sie aufgrund ihres hohen Vitamin-C-Gehalts gerne bei Erkältungsbeschwerden empfohlen. Zudem war sie als Beruhigungs- und Schlafmittel im Einsatz. Hildegard von Bingen (1098–1179) schätzte die Melisse, die sie „Binsuga“ (Bienenauge) nannte, für ihre vielen gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Dabei hob sie etwa die stimmungsaufhellende Wirkung der Zitronenmelisse in ihren Ausführungen hervor.


Früh war das anspruchslose Lippenblütengewächs in verschiedenen Regionen als Herzmittel im Einsatz. Die positiven Effekte auf das Herz sind laut Signaturenlehre auf die herzförmigen Blätter der Pflanze zurückzuführen. Diese Vorzüge der Melisse wusste auch Paracelsus (1493/94–1541) zu schätzen, der Anfang des 16. Jahrhunderts erstmals Melissenöl destillierte. Weil die Ausbeute tendenziell gering ausfällt, ist die Gewinnung des wertvollen Öls mit hohen Kosten verbunden. Für einen Liter Melissenöl werden rund 6.000 bis 8.000 Tonnen Blätter benötigt. Mischungen mit dem erheblich günstigeren Zitronengrasöl sind darum bis heute verbreitet.


Zu Beginn des 17. Jahrhunderts brauten Karmelitermönche in Paris ein Mittel gegen diverse Krankheiten aus Melisse, Heilziest, Muskatnuss, Gewürznelken, Zitronenschalen und Kassiazimt. So entwickelten sie einen ersten Vorläufer des heutigen Karmeliter- bzw. Melissengeistes.

Wirkstoffe der Melisse


Ein für die pharmazeutische Anwendung wichtiger Bestandteil der Zitronenmelisse ist das ätherische Öl, das mindestens 0,05 bis 2 % ausmacht. Hierbei handelt es sich um ein Gemisch aus verschiedenen Substanzen, vor allem aus Citral (40 bis 70 %) und Citronellal (5 bis 20 %).


Diese Stoffe wirken beruhigend auf die Muskulatur des Magen-Darm-Trakts und auf das zentrale Nervensystem. Gemeinsam sind sie für den intensiven Duft der Pflanze verantwortlich. Citral ist überdies die Hauptkomponente des ätherischen Öls der Zitronenverbene (Zitronenstrauch) sowie des tropischen Zitronengrases , dessen Geruch jenem der Melisse ähnelt. Die stoffliche Zusammensetzung des Melissenöls hängt maßgeblich von den klimatischen Bedingungen, dem Alter und der Herkunft der Pflanze ab. Ein entscheidender Faktor ist ferner der Zeitpunkt der Ernte .


Abgesehen vom ätherischen Öl enthält die Melisse Terpene , insbesondere Beta-Caryophyllen, Germacren-D und Ursolsäure. Hinzu kommen die typischerweise in Lippenblütengewächsen enthaltenen Lamiaceen-Gerbstoffe mit der antioxidativ und antimikrobiell wirkenden Rosmarinsäure als Hauptkomponente. Ebenso sind Gerbstoffe wie Dimeren, Trimeren, Tetrameren und Kaffeesäure enthalten. Weitere wesentliche Inhaltsstoffe der Melisse sind die für ihre antioxidative Wirkung bekannten Flavonoide, Schleimstoffe, Glykoside und Vitamin C.


Melisse Wirkung und Anwendung


Die Melisse hat sich in der Volksmedizin seit dem Altertum als wirksames Mittel zur Behandlung verschiedener Beschwerden bewährt. Das Anwendungsspektrum ist breit gefächert und reicht von Migräne und funktioneller Kreislaufschwäche über Erkältungen bis hin zu Verdauungsbeschwerden. Heute gelten viele positive Effekte, die der Pflanze lange Zeit nachgesagt wurden, als wissenschaftlich belegt. Arzneilich Anwendung finden die Blätter der Melisse sowie das ätherische Melissenöl in allen möglichen Darreichungs- und Zubereitungsformen.


Untersuchungen haben gezeigt, dass Extrakte des Lippenblütengewächses leicht sedierend und angstlösend wirken. Diese Effekte sind unter anderem auf die in der Melisse enthaltene Rosmarinsäure zurückzuführen, die den GABA-Stoffwechsel im Gehirn beeinflusst. GABA steht für Gamma-Aminobuttersäure und bezeichnet einen Botenstoff des menschlichen Nervensystems, der das Abbauen von Ängsten und innerer Unruhe fördert.


Mit Baldrian kombiniert hat sich die Melisse als überaus wirksam bei der Behandlung von Ruhelosigkeit und Einschlafproblemen bei Erwachsenen und Kindern erwiesen. Melissentee* wird bei nervöser Unruhe, Schlaflosigkeit und Stresssymptomen getrunken. In den Rezepturen diverser Schlaftees ist die Zitronenmelisse zu finden, zum Beispiel im DR. KOTTAS Nerven-Schlaftee*. Mit der Frage, wie dieses und andere Kräuter bei Schlafstörungen helfen, haben wir uns übrigens in einem eigenen Beitrag beschäftigt.

Ein weiteres wesentliches Anwendungsgebiet der Melisse sind funktionelle Magen-Darm-Beschwerden. Dabei kommen die krampflösenden und blähungstreibenden Eigenschaften des Heilkrauts zum Tragen. Die Zitronenmelisse beruhigt das vegetative Nervensystem des Verdauungstraktes, lindert Magen- und Gallenbeschwerden und beruhigt überreizte Verdauungsorgane. Bewährt hat sie sich besonders bei „nervösem Magen“.


Gut dokumentiert ist außerdem die antioxidative und antimikrobielle Wirkung der Melisse. Äußerlich angewandt sind deshalb beispielsweise Salben zur Behandlung von Herpes labialis im Einsatz. Die antibakterielle Wirkung des ätherischen Öls wurde zum Beispiel gegen Brucella abortus oder Viridans-Streptokokken nachgewiesen. Melissenextrakte sind in einer Vielzahl von Fertigpräparaten enthalten, darunter viele namhafte Beruhigungsmittel, krampflösende Mittel sowie Grippemittel.


Abseits der Medizin spielt die Zitronenmelisse als Gewürzpflanze in der Kulinarik eine tragende Rolle. Mit ihren duftenden Blättern verfeinert und verschönert sie Süßspeisen und Getränke. Gelegentlich aromatisiert sie deftigere Gerichte mit Fisch und Huhn. Alkoholische Auszüge auf Basis des legendären Karmelitergeistes erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit. Derartige Destillate werden beispielsweise zur Bekämpfung erster Erkältungssymptome getrunken. Der hohe Alkoholgehalt soll die stimmungsaufhellende Wirkung des Heilkrauts zusätzlich fördern. Zur äußerlichen Anwendung ist die Melisse obendrein oft in den Zutatenlisten entspannender Badezusätze zu finden.


Nebenwirkungen


Im Allgemeinen gelten die Blätter der Melisse als gut verträglich. Das allergische Potenzial der Pflanze wird als gering eingeschätzt. Nebenwirkungen und unerwünschte Wirkungen traten im Zuge der Anwendung und der zahlreichen Untersuchungen selten auf. Bei Empfindlichkeit gegenüber den Inhaltsstoffen ist natürlich eine entsprechende Vorsicht geboten.

*Dieses Arzneimittel ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das ausschließlich auf Grund langjähriger Verwendung für die genannten Anwendungsgebiete registriert ist. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.




Quellen:
Awad, R., Muhammad, A., Durst, T., Trudeau, V. L., & Arnason, J. T. (2009). Bioassay-guided fractionation of lemon balm (Melissa officinalis L.) using an in vitro measure of GABA transaminase activity. Phytotherapy research: PTR, 23(8), 1075–1081.
Bachmann, C. (2013): Phytotherapie gegen Ruhelosigkeit und Einschlafschwierigkeiten bei Kindern. Ein Kombinationspräparat erweist sich als wirksam. Ars Medici (Thema Phytotherapie) 3/2013, 555–556.
Barnes J., Anderson L. A. & Phillipson J. D. (2007): Herbal Medicines, third edition – Melissa. Pharmaceutical Press: London.
Bäumler, S. (2012). Heilpflanzen Praxis heute. Arzneipflanzenporträts. Urban & Fischer.
Blaschek, W. (Hrsg.) (2016). Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis, 6. Auflage, Stuttgart.
Buch, C. & Jagel, A. (2011). Melissa officinalis – Melisse (Lamiaceae). Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 2, 220–225.
Miraj, S., Rafieian-Kopaei & Kiani, S. (2017). Melissa officinalis L: A Review Study With an Antioxidant Prospective. Journal of evidence-based complementary & alternative medicine, 22(3), 385–394.

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